Jetzt fragen Sie sich wegen der Überschrift bestimmt, ob die warmen Temperaturen und die Trockenheit bereits meinen Verstand angreifen? Nein, so weit ist es noch nicht. Unser Büro ist ausreichend klimatisiert und die Mineralwasserflasche steht griffbereit.
Ich möchte mit der Überschrift die Situation beschreiben, die aktuell vor allem unter den Investoren in Amerika aber auch in Europa vorherrscht. Sobald dieser Tage schlechte Konjunkturdaten oder enttäuschende Unternehmensergebnisse publiziert werden, desto gewisser scheint man sich zu sein, dass die amerikanische Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank mit Zinssenkungen und noch weitergehenden Massnahmen zu Hilfe eilen. Beide Notenbanken (und weitere weltweit) werden in Bälde mit geldpolitischen Lockerungen versuchen die schwächelnde Konjunktur zu stützen. Nur werden diese Maßnahmen erst mit Zeitverzögerungen von ca. 9 Monaten wirklich wirken. Bis dahin wird eine flaue Weltkonjunktur nach unserem Dafürhalten die Unternehmensgewinne unter Druck setzen.
Gerne möchte ich Ihnen nachfolgend unser ökonomisches Bild dieser Welt darlegen.
Weltbild – Update per Juli 2019
Amerika: das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab – jedoch keine Rezession
Den aufmerksamen Leserinnen und Lesern des Weltbildes wird es nicht entgangen sein, dass die Überschrift für Amerika – bewusst – unverändert blieb. Das erste Quartal überraschte uns mit einem weit stärkeren Wachstum des BIP (+3,1%) als gedacht. Die Dynamik des kräftigen Aufschwungs aus dem vergangenen Jahr sorgte noch für eine gute Auftragslage der Unternehmen, die in das Jahr 2019 hineinreichte. Im Verlauf des zweiten Quartals verringerte sich das konjunkturelle Wachstumstempo merklich. Aktuelle Schätzungen liegen bei 1,5-2%. Vor allem das produzierende Gewerbe musste deutliche Einbußen hinnehmen, während der Dienstleistungssektor, mit kräftiger Unterstützung des privaten Konsums, sich noch in einer stabilen Verfassung präsentierte.
Die globalen Unsicherheitsfaktoren (einige Stichworte: chinesisch-amerikanischer Handelsstreit, Säbelrasseln zwischen Amerika und Iran, deutlich gedämpftes weltweites Wirtschaftswachstum – und vermutlich auch die Einflussnahme von Donald Trump), bewogen die amerikanische Notenbank einen Kurswechsel vorzunehmen, und in den kommenden Wochen und Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zinsen zu senken. Dies führte zu einem kräftigen Rückgang der Anleiherenditen.
Billigeres Geld, ist der Stoff aus dem die Träume der Börsianer bestehen und entsprechend stiegen die Aktienkurse in Amerika im Jahresverlauf kräftig an. Die Bewertung der US-Aktien ist mittlerweile sehr teuer. Angesichts der konjunkturellen Eintrübung, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen wird, erwarten wir, dass die Gewinne der Unternehmen spätestens im dritten Quartal rückläufig sein werden. Sollte sich dieses Szenario bewahrheiten, dann besteht im weiteren Jahresverlauf nennenswertes Rückschlagpotential an den amerikanischen Aktienmärkten.
Europa: keine Wachstumsdynamik – die EZB wird die Geldschleusen noch weiter öffnen
Im bisherigen Jahresverlauf konnte sich die Eurozone nicht aus der konjunkturellen Flaute befreien. Das BIP dürfte in Q2-2019 um bescheidene 0,2% gewachsen sein und die Perspektiven für das dritte Quartal sind kaum besser. Vor allem die hartnäckige Schwäche des deutschen Industriesektors, mit der schwächelnden Automobilbranche an der Spitze, bereitet Sorgen. Ohne die positiven Effekte der Dienstleistungsbranche würde Deutschland bereits in der Rezession stecken.
Die internationalen Handelsstreitigkeiten sind zumindest eine psychologische Belastung, auch wenn Präsident Trump etwaige Strafzölle, zum Beispiel für europäische Autos, um sechs Monate verschoben hat. Und dann geistert nach wie vor das Brexit-Gespenst umher. Angesichts dieser Situation richten sich alle Augen auf die Europäische Zentralbank, die bereits geldpolitische Unterstützung signalisierte. Vermutlich im September wird der Einlagesatz um 10 Basispunkte auf -0,5% gesenkt werden und auch ein erneutes Anleihekaufprogramm (QE = Quantitative Easing) steht – vermutlich erst in 2020 – zur Debatte. Die Aktienbewertungen in Europa sind deutlich moderater als in Amerika. Dies erklärt sich teilweise aus der oben genannten fehlenden Wachstumsdynamik. Wir erwarten allerdings nicht, dass sich die Aktienmärkte der Eurozone einer Korrektur des US-Marktes entziehen können.
Japan: die Exportwerte leiden unter der globalen Wachstumsverlangsamung
Die exportorientierten Unternehmen aus Japan spüren den Gegenwind der globalen Konjunkturflaute und den Auswirkungen der internationalen Handelsstreitigkeiten. Die Binnenkonjunktur, die nach wie vor von der Vollbeschäftigung im Lande profitiert, konnte sich bisher davon abkoppeln. Die an diesem Wochenende stattfindenden Oberhauswahlen dürften an den bestehenden Machtverhältnissen nur wenig ändern und somit keinen großen Einfluss ausüben. Die für Oktober geplante Mehrwertsteuererhöhung wird nach heutigem Kenntnisstand durchgezogen. Der japanische Aktienmarkt ist aktuell relativ günstig bewertet. Die Bank of Japan wird weiterhin in erheblichem Maße Staatsanleihen kaufen (müssen).
Emerging Markets: alle Augen sind nach China gerichtet
Die allseits erhoffte deutliche Belebung der chinesischen Konjunktur blieb bisher aus. Die chinesische Staatsführung vermied es bis dato, mit massiven Schuldenerhöhungen die Konjunktur anzuschieben. Die chinesische Notenbank wird allerdings an einer Lockerung der Geldpolitik in kleinen Schritten zunächst noch festhalten.
Der brasilianische Aktienmarkt (Bovespa) hält sich in luftigen Höhen über 104.000 Punkten. Präsident Bolsonaro versucht mit großer Kraftanstrengung, die Rentenreform voranzutreiben und erzielt dabei Fortschritte, auch wenn der Abschluss noch nicht in trockenen Tüchern ist. Der Aktienmarkt scheint uns korrekturgefährdet.
In Indien gewann Ministerpräsident Modi Ende Mai mit seiner hindunationalistischen BJP Partei die Parlamentswahlen sehr deutlich. Weitere fünf Jahre Amtszeit ermöglichen ihm, den begonnenen, wenn auch schwierigen, Reformprozess fortzusetzen. Indien wird in den kommenden Jahren, unter den großen Volkswirtschaften, das höchste Wachstumstempo aufweisen. Eine Korrektur des teuer bewerteten indischen Aktienmarktes sollte für Käufe genutzt werden.
Der russische Aktienmarkt zählte im bisherigen Jahresverlauf zu den Top-Performern. Hinzu kam eine deutliche Kurserholung des Rubel. Die schwindende Angst vor neuen Sanktionen gegen das Land und die Erholung des Ölpreises waren die Haupttreiber der Entwicklung.
Kurzüberblick über die wichtigsten Märkte:
Freitag Vorwoche |
Veränderungen* | Kurs heute 17:55h |
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DAX: | 12.307 | -0,48 % | 12.248 |
Euro Stoxx 50: | 3.494 | -0,54 % | 3.475 |
S&P 500: | 3.006 | -0,23 % | 2.999 |
Nikkei 225: | 21.686 | -1,01 % | 21.467 (Schluss heute) |
* VERÄNDERUNG ZUM VORWOCHEN FREITAGS SCHLUSSKURS
Rendite 10 jährige Bundesanleihen:
-0,323 % p.a.
Volatilitätsindex (vix)
Die Volatilität auf den S&P 500 (VIX Future) schwankte diese Woche zwischen 15,08 und 16 Punkten.